-
Marco P. Schaefer: Der bunte Vorwand und seine Einwände
Neue Arbeiten von Marco P. Schaefer im Projektraum Kurt-Kurt Berlin
Vom 18. Juni bis zum 11. Juli 2020 präsentiert der Projektraum Kurt-Kurt neue vor Ort geschaffene und wandfüllende Papierarbeiten des Künstlers Marco P. Schaefer in einer Einzelausstellung.
Auf Einladung der Kurt-Kurt Initiatoren Simone Zaugg und Pfelder hat Marco P. Schaefer sechs Wochen in den Räumlichkeiten des Geburtshauses von Kurt Tucholskys gelebt und gearbeitet, um zwei neue raumfüllende Papiercollagen zu erschaffen, die die Wände der Galerie aktuell zum Tanzen bringen.
Die von Wand zu Wand, Boden zu Decke reichenden Collagen aus bunten Papierstreifen unterschiedlichster Länge, Breite, Farbe und Form scheinen die Wände mal lauter mal leiser in Schwingung zu setzen. Es gibt kein Oben, kein Unten, keinen Anfang, kein Ende, sondern nur die geballte oder fragilere Kraft von Form und Farben gepaart mit der ephemeren Leichtigkeit des Papiers. Eine vor Energie strotzende oder leise WandMusik, deren Rhythmus sich unweigerlich auf den Betrachter überträgt. Ergänzt wird der Strudel der zwei wandfüllenden Arbeiten durch eine Reihe kleinformatiger Arbeiten im mittleren Raum.
Während die neuen Arbeiten geometrisch abstrakt bleiben und teils durch kräftige, an Pop Art erinnernde Streifen dominiert sind, zeigten Schaefers frühere Wandcollagen feinere und kurvigere Linienführungen sowie Einschlüsse von Schrift oder figürlichen Elementen. Die Assoziationen, die seine Arbeiten wecken, umspannen daher ein weites Feld von Sonja Delaunay, Fernand Léger, Alexander Calder, Bauhaus bis hin zu Pop Art, Op Art oder Comic. Eines aber empfindet wohl jeder Betrachter von Schaefers Werken: Rhythmus. Musik. Und egal ob zart oder kraftvoll, es findet sich kaum ein negativer Ton. „Trotz fehlender Botschaften reflektieren meine Werke meine innere Musik, den Rhythmus, das be easy, be happy, das ich mir in guten wie schweren Zeiten zu erhalten versuche.“
Egal ob skizzengroß oder raumfüllend schafft Schaefer seine Arbeiten nach dem gleichen Prinzip: Der Träger ist ein weißer, durch Grundformen verstärkter Papierrahmen. Bei großen Formaten folgt dieser Träger den Maßen 1 x 1 Meter oder 1 x 1,5 Meter. Aus zuvor mit Acryl kolorierten Bögen aus hochwertigem Papier schneidet Schaefer mit dem Cuttermesser verschiedenste Streifen und Formen, die anfangs eher spontan intuitiv, später in präzisen Schritten arrangiert und mit Kleber fixiert werden. In dieser Arbeitsphase verwandelt sich Schaefer in einen Pollock des Papiers: konzentriert, in ständiger Bewegung und seiner inneren Musik folgend kreiert er seine Großformate.
Durch die Verwendung von hochwertigen Papieren, Farben und Kleber in Kombination mit einem optisch zurücktretenden Träger erreicht der als Bildhauer ausgebildete Künstler nicht nur eine für Papier ungewöhnliche Robustheit und Farbbeständigkeit, sondern verleiht seinen Arbeiten auch eine spielerisch skulpturale Dimension: mit wenigen Griffen lassen sich die einzelnen Paneele von den Nägeln nehmen und hintereinander oder in ganz anderer Formation wieder aufhängen. Gerade noch wandfüllend kann eine Arbeit so zu einem 1 x 1 Meter Relief zusammenzurren oder als Solitäre verschiedene Räume schmücken. Der Künstler gibt keinerlei Vorgaben für diese Metamorphosen, sondern mag den Fluss von der intuitiv spontanen zur präzisen Komposition zurück zum Zufälligen.
Hier spiegelt sich ein Interesse an Duchamp genauso wie essentielle Notwendigkeit. Marco P. Schaefer zieht es vor, sich auf sein Leben und seine Kunst zu konzentrieren. Er lebt und arbeitet in einer kleinen Wohnung in Neukölln und hat seine Arbeitsweise diesen Umständen angepasst: Medium, Größe der Paneele, der unkomplizierte Wechsel zwischen large-scale und Relief, das Arbeiten auf Wand und Boden und das Ephemere seiner Werke erlauben Schaefer auf wenigen Quadratmetern Wandfüllendes zu schaffen. In einer von Krisen, Ängsten und Wut geprägten Zeit scheint die positive Kraft dieser Arbeiten noch beeindruckender.Kurt-Kurt
Kunst und Kontext im Stadtlabor Berlin-Moabit
Ein Projekt von Simone Zaugg und Pfelder im Geburtshaus von Kurt Tucholsky, Lübecker Straße 13, 10559 Berlin
Eröffnung Donnerstag, 18.06.2020 ab 18 Uhr
Ausstellung 18.06. – 11.07.2020
Öffnungszeiten Do – Sa 16 – 19 Uhr oder nach Vereinbarung
Link: www.kurt-kurt.de
Die Ausstellungsreihe wird gefördert durch die Basisförderung der Senatsverwaltung für Kultur und Europa des Landes Berlin. -
Paper Icons
Jörg Haseheider, 2015
Ausstellung Haus am Lützowplatz, Berlin, 13. Juni – 30. August 2015
Mit Arbeiten von Ruprecht Dreher, Peter Freitag, Nicholas Kashian, H. C. Petersen, Oliver Ross und Marco P. Schaefer, kuratiert von Jörg Hasheider.Die Ausstellung versammelt unter dem Begriff des »Icons« sechs Künstler, deren Werkstoff Papier ist. Zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze werden in den gezeigten Arbeiten deutlich: Einerseits die Rekombination, bzw. die Auslöschung ikonischer Zeichen von / aus vorgefundenem Material, andererseits die Konstruktion ikonisch anmutender Zeichen aus blankem, nicht vorgeprägtem Material. Beiden Ansätzen gemein ist die Dekonstruktion des Icons als »ähnliches Zeichen« und damit die Loslösung aus seinem Gebrauch als gesteuerte Assoziation. Eine Loslösung, die den Betrachter die allgegenwärtige ikonische Prägung unserer Gesellschaft des »Iconic Turn« durch die Eröffnung neuer assoziativer Räume erfahren lässt. Bei der Auswahl der Positionen wurde Wert auf die Nachvollziehbarkeit der künstlerischen Operationen gelegt. Das heißt: Schnitte und Schichtungen werden nicht kaschiert, sondern sind im Gegenteil präzise ausgearbeitete Erweiterungen in den Raum. Folgerichtig lösen sich die Arbeiten teilweise von der Wand und transformieren zu dreidimensionalen Objekten. Dieser formale Aspekt verstärkt die Auflösung des symbolischen »Icons« durch seine Betonung des real Stofflichen.
-
Marco P. Schaefer…and his Fishheads
Interview mit Marcus C. Hurttig, 2008
Ausstellung Seamen‘s Art Club, Hamburg, 26. März 2008
F.: Kann ich deine Kompositionen von links nach rechts lesen ?
MPS: Von rechts nach links, von oben nach unten, umgekehrt oder gespiegelt, auch negativ, als buchstaben, runen, noten, ornamente, codes, ziffern, schablonen, schattentheater oder spekulative abtraktion, einfühlung (grominger), magische botschaft (mcluhan), partisanen (mao) oder piraten (conrad). Die Kompositionen sind sehr spontan und enthalten die komplexität meines wesens. Mich hat immer das ergebnis des bildes interessiert.F.: Ich werde von deiner Kunst des Messerschnittes förmlich in ein Labyrinth geschwungene Linien entführt, die mich nicht mehr loslassen. Wo ist der Ausgang? Oder gibt es da einen Text ?
MPS: Ich lege nicht viel wert auf eindeutigkeit. Mehrdeutigkeiten haben kein ende und keinen anfang. Orientierungslos kann es nicht sein, sonst hätte ich das bild nicht gemacht. Das auge springt durch das feld wie ein karnickel, das seine karotten findet und ist gleichzeitig eine zielscheibe, die ständig hin und her huscht, wie die neugier und unersättlichkeit des sehens.F.: Woraus leitest du die Form des Ornaments ab? Aus den Gesamtbild des Comics? Aus den Umrisslinien der Bildfenster und der Figuren, die ihr Messer zückt?
MPS.: Die wortfetzen, und comicreste oder figürlichen schatten sind ein produkt meiner inneren bild/musik, die sehr spontan und mitteilsam ist, auch wenn sie keine bedeutung oder keine festlegbare botschaft hat. Das hat viel mit rhythmus zu tun. Meine messerschnitte sind eine erweiterte form von schreiben und zeichnen. Sie leiten nicht ab, sondern eine „konsequenz in form“, da free und easy, doch roh und direkt, eben wie verbales, doch schnittig langsamer.F.: Führst du das Messer eines Chirurgen?
MPS: Bestenfalls, wenn man daran denkt, dass ein chirurg zur verschönerung, reparatur und veränderung des körpers beiträgt. Das gab es ja schon immer: mit schnitten und stichen in der haut zeichnen, ornamente oder figuren. -
Marco P. Schaefer – Blockwart: Macho Butterfly
Ralf Krüger, 2007
Ausstellung Galerie Feinkunst Krüger, Hamburg, 10. Februar – 3. März 2007
Schaefer, der 2004 das Hamburg Stipendium erhielt, hat bereits weltweit ausgestellt. Die neuen Arbeiten die er hier präsentiert, wird er getrennt nach Arbeitsweisen in Blöcken hängen. Durch diese klare Aufteilung wird der Raum neu präsentiert und erhält durch Schaefer ein verändertes Gesicht. Hierbei spielt er auch mit dem Titel der Ausstellung und dessen Vieldeutigkeit. Der Blockwart, bestens bekannt aus düsteren Kapiteln der deutschen Geschichte, ist hier auch derjenige der bestimmt wie die „Blöcke“ zu hängen haben. Dazu passt der Macho der sein Butterfly(messer) gerne auch mal anders benutzt.
Diese Vieldeutigkeit findet sich auch in den Arbeiten von Schaefer wider, findet seinen Ausdruck in den verschiedenen Arbeitsweisen und Techniken. Viele seiner Bilder wuchern, sprengen, explodieren und entfalten eine chaotische Dynamik, ohne aber ein konkretes Geschehen darzustellen. Dann aber erkennt man, dank des vom ihm benutzten Bildvokabulars, vertraute Dinge und die Bilder scheinen sich zu entwirren und zu entschlüsseln.
Denn eigentlich ist Schaefer ein Zeichner, inspiriert von der gebräuchlichen Bildsprache der Werbung und des Comic. Geprägt aber auch vom barocken Stil der Kirchen, mit ihren ausufernden Formen, wie er sie aus seiner alten süddeutschen Heimat kennt. Dieses ausufernde, fast schon psychedelisch wirkende, trifft in seiner Arbeit auf das streng formalistische. Dadurch wirken seine Arbeiten trotz der Strenge oft fast „locker und leicht“. Gerade dann fällt einem der extreme Gegensatz von leichter und strenger Form, der ständige Gegensatz von Abstraktion und Gegenständlichkeit auf, der seine Bilder prägt.In dieser Ausstellung zeigt er ein Spektrum seiner Arbeiten, welches von Zeichnungen über Schablonenarbeiten bis hin zu seinen Schnittzeichnungen reicht. Die Schnittzeichnungen, oder Messerschnitte entstehen dabei genau wie seine Zeichnungen, nur sind hier nicht Stift oder Pinsel sein Werkzeug sondern das Messer. Aber genauso frei wie mit den anderen Werkzeugen geht er auch mit dem Messer um. Es gibt keine Vorzeichnungen, Schaefer arbeitet direkt aus der Hand heraus, es passiert einfach, es fließt. Natürlich verzeiht gerade die Arbeit mit dem Messer dabei keine Fehler, exaktes Arbeiten ist dabei Vorraussetzung für die Umsetzung seiner Ideen. Auch hier treffen sich die Gegensätze wieder, das freie fließende und das strenge nicht verzeihende.
-
Marco P. Schaefer
Veronika Schöne, 2004
Marco Peter Schaefer ist Zeichner. In wilden Perspektiven hat er verschlungene Räume skizziert, absurde Maschinen konstruiert, das visuelle Zeichenrepertoire der Logos und Labels, Comics und Illustrationen benutzt und aus ihnen phantasievolle, anspielungsreiche Arbeiten destilliert. Sie geben häufig nicht Erkennbares wieder, rufen jedoch ein vertrautes Bildvokabular auf, das uns vor allem durch an den visuellen Vorfahren der Werbung und des Comics geschulte Wahrnehmung bekannt erscheint.
Schaefer entzieht dem Betrachter jedoch die scheinbare Sicherheit der Zuordnung und Einordnung nicht nur durch Verfremdung, sondern auch durch eine räumliche Destabilisierung. Er zieht ihn in einen Strudel hinein, in dem Versatzstücke der Wirklichkeiten und verschlungene Linien zu abenteuerlichen Perspektiven regelrecht ineinander “gemorpht” erscheinen, und bewegt sich damit ständig auf der Grenze zwischen Abstraktionen und Gegenständlichkeiten.